Augsburg 2016. Eine besondere Sternstunde im Fan-Dasein zwischen Repressionen und Ungleichgewicht. Der Auftritt im dortigen Stadion war mit einem Strauß an Auflagen garniert der seinesgleichen sucht, alles war verboten weil es beim vorangegangenen Besuch im dortigen Stadion zu einem Pyrotechnikeinsatz kam. So war auch das Einbringen von Fahnen für diesen Spieltag explizit verboten worden.

Eine ernstzunehmende Ultragruppe die sich Fahneneinsatz verbieten lässt wird man in Deutschland schwerlich finden. Das galt auch für diesen Tag. Zapp Brannigan (Name von der Kurvenhilfe geändert) war eine von mehreren Personen die eine Fahne in das Stadion einbrachten. Aus ermittlungstaktischen Gründen soll hier nicht näher auf die Art der Beförderung eingegangen werden, jedenfalls machte Zapp auf dem WC plötzlich unerfreuliche Bekanntschaft mit einer Hand voll Ordnern die ihn zuerst lautstark aus seiner Kabine befahlen und ihm im Anschluss unter Anwendung von körperlicher Gewalt seine Fahne entrissen und diese geraume Zeit für sich behielten.

Und hier beginnt die rechtliche Geschichte. Ordner dürfen das Hausrecht durchsetzen. Nicht mehr und nicht weniger. Soll heißen, sie hätten Zapp des Stadions verweisen dürfen oder aber ihm erklären, dass er nicht mit Fahne im Stadion verweilen darf. Zu einer Wegnahme der Fahne haben sie aber keinerlei rechtliche Legitimation. Und zum Einsatz von körperlicher Gewalt um ihre vermeintlichen Rechte durchzusetzen schon zweimal nicht.

Nachdem es im Zusammenhang mit dem Spiel zu in ihrer Gesamtheit wieder einmal unerträglichen Zusammenstößen mit der Polizei gekommen war und eine Flut von Anzeigen einging war Zapp nicht bereit das Unrecht gegenüber seiner Person einfach so hinzunehmen. Die unberechtigte gewaltsame Wegnahme von Eigentum eines anderen stellt dem Grunde nach erst einmal einen Raub dar und die Körperverletzungen gegen ihn wollte er ebenfalls nicht einfach hinnehmen wenn im Gegenzug jede noch so kleine falsche Bewegung als Landfriedensbruch eingeordnet werden sollte. Zapp erstattete also Anzeige gegen die Ordner.

Dieser Anzeige gab die Staatsanwaltschaft Augsburg keine Folge sondern stellte sich – trotz durch Zapp benannter Zeugen – auf den Standpunkt, der komplette Sachverhalt sei bereits durch anderweitige Ermittlungen bekannt. Diese Einschätzung überspitzte die Behörde noch dadurch dass sie – wohlgemerkt: ohne die benannten Zeugen zu hören – einen Strafbefehl gegen Zapp beantragte in dem ihm unter anderem vorgeworfen wurde er habe eine Straftat der Ordner erfunden. Der Strafbefehl wurde auch erlassen und Zapp hatte in einem Seitenast des Verfahrens massiv darum zu kämpfen, dass es am Ende eingestellt wurde.

Die Nichtverfolgung seiner Anzeige gegen die Ordner hingegen quittierte Zapp mit einer Beschwerde. Daraufhin „ermittelten“ die Behörden etwas lustlos herum was sich zum Beispiel daran zeigt, dass es ausreichte auf die benannten Zeugen weiterhin zu verzichten weil diese in etwa einen Zeugenbeistand beanspruchen wollten bzw. darum baten für eine Vernehmung nicht aus der Region Leverkusen anreisen zu müssen, sondern sich vor einer dortigen Dienststelle vernehmen zu lassen.

Das Verfahren wurde erneut ohne Ergebnis beendet und die Generalstaatsanwaltschaft half der Beschwerde ebenfalls nicht ab. Damit stand Zapp vor der merkwürdigen Situation, dass die Ermittlungsbehörden einfach seine Beweismittel nicht würdigen wollten. Nun gibt es rechtlich für Fälle in denen die öffentliche Klage durch die Staatsanwaltschaft nicht erhoben wird die Möglichkeit mittels eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung, auch als sog. Klageerzwingungsantrag bezeichnet, eine Anklage zu erreichen. Das Problem ist, dass hierzu zunächst fertig ermittelt sein muss, damit das zuständige Gericht dann prüfen kann ob zu Unrecht keine Anklage erfolgte und ggf. anordnen kann, dass eine solche erfolgen muss (was in der Praxis fast nie passiert, das nur am Rande). 

Hier allerdings lag das Problem darin, dass Zapp ja zunächst einmal wollte, dass ordentlich fertig ermittelt wird und seine Zeugen gehört werden. Für eine solche Anordnung, nämlich, dass das Gericht der Staatsanwaltschaft befiehlt, fertig zu ermitteln, findet sich keine gesetzliche Regelung. Allerdings gibt es bei verschiedenen Oberlandesgerichten in Deutschland die Auffassung, dass es einen solchen sogenannten „Ermittlungserzwingungsantrag“ in einer Analogie zu den gesetzlich vorhandenen Regelungen geben muss. Was wiederum bedeutet dass eben jene Gerichte den Antrag als zulässig behandeln und etwa anordnen dass die Staatsanwaltschaft die Vernehmung der benannten Zeugen durchführen muss.

Die genannte Auffassung, dass es einen solchen Antrag gibt vertrat zum relevanten Zeitpunkt auch das Oberlandesgericht München, an welches sich Zapp wegen dessen Zuständigkeit für Augsburg zu wenden hatte. Insofern war es natürlich naheliegend, sich dorthin mit einem entsprechenden Antrag zu wenden. Wohlgemerkt, Zapp kämpfte nach wie vor darum, dass irgendwer dafür sorgt, dass die von ihm benannte Zeugen einfach nur ordentlich vernommen würden um im Nachhinein nachweisen zu können, dass die Ordner rechtswidrig und strafbar auf ihn eingewirkt hatten.

Zapp stellte einen entsprechenden Antrag. Und Nun wurde es wirklich schräg: Während beim Oberlandesgericht München vorher von einem der Senate befürwortet wurde, dass es einen „Ermittlungserzwingungsantrag“ gäbe erhielt Zapp vom für ihn zuständigen anderen Senat die Mitteilung, dass es einen solchen Antrag eben nicht gibt und dieser daher unzulässig sei. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen dass der Auffassung in der Rechtssprechung (unter anderem des anderen Münchener Senats) dass es ein Erzwingungsverfahren mit der Anordnung der Aufnahme oder Fortführung von Ermittlungen gäbe nicht gefolgt werde.

Damit war klar dass es für Zapp neben einer hier zu vernachlässigenden (formal aber auch noch nötigen) Gehörsrüge nur noch den Gang zum Bundesverfassungsgericht geben kann, allein schon weil es ein für Jedermann erkennbares Unding ist, dass das eine Gericht so und das andere so agiert und es im speziellen offenbar beim Oberlandesgericht München noch davon abhängt bei welchem Senat man landet.

Im März 2017 erhob Zapp daher eine Verfassungsbeschwerde und rügte eine Reihe von Grundrechtsverletzungen, unter anderem die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör.

Das Bundesverfassungsgericht ist nun nicht gerade für seine rasanten Entscheidungen bekannt. Allerdings nimmt die Hoffnung eines Beschwerdeführers mit einem gewissen Zeitablauf nach und nach zu, dass zumindest nicht nur zwei Zeilen zur Antwort kommen die besagen, dass die Beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen wird (und rätselhaft lassen weshalb nicht). So war es schon ein wenig Hoffnung nährend, dass sich das oberste deutsche Gericht im Jahr 2017 nicht rührte. Nachdem auch 2018 nichts passierte war die Hoffnung noch größer. 2019, die Spannung stieg. Auch 2020 verstrich ohne Rückmeldung aus Karlsruhe. Erst im Januar 2021, also vier Jahre später, kam die Entscheidung: Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Frustrierend. Aber immerhin versah das Bundesverfassungsgericht seine Nichtannahmeentscheidung mit stolzen vier Seiten Begründung. Was alles andere als selbstverständlich ist. Im Wesentlichen lies das Gericht zwar die rechtlichen Fragen offen und begründete dies damit, dass die gegen Zapp gerichteten Straftaten nicht krass genug seien, weil der Anspruch auf effektive Strafverfolgung nur bei erheblichen Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, der sexuellen Selbstbestimmung und der Freiheit der Person in Betracht kämen. Letztlich fehle es bei Zapp an den feststellbaren Verletzungen. Drum herum gibt es dann noch ein paar Ausführungen dazu, dass Staatsanwaltschaft und Polizei den Sachverhalt aufklären müssen und Beweismittel sichern. Was Zapp aber nun auch nicht weiterhalf.

Nunmehr stand nur noch der Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte offen. Nachdem Zapp und die Kurvenhilfe nicht gewillt waren im Finale nicht anzutreten scheute man auch diesen Weg nicht. Nach Einreichung einer entsprechenden Beschwerde im August 2021 wurde diese bereits im Oktober 2021 für unzulässig erklärt. Mangels Begründung kann man nur mutmaßen weshalb. Etwa weil der zuständige Einzelrichter keinen (direkten) staatlichen Verletzungsakt gegenüber einem Bürger erkennen konnte. Aus Zapps Sicht freilich nicht verständlich weil ja Gegenstand der Beschwerde war, dass die Ermittlungen staatlicherseits nicht ordentlich geführt worden waren und die Möglichkeit einer entsprechenden Anordnung abgeschnitten wurde, aber der „Grundübergriff“ war nun durch Ordner erfolgt und nicht seitens der Polizei. Letzteres sind aber rein jene Überlegungen, die sich Zapp mit seinen rechtlichen Vertretern macht und nicht belastbar.

Als Fazit des Ganzen darf man wohl festhalten dass Zapp einen großen Fehler gemacht hat indem er es nicht so gehandhabt hat wie manch andere Kraft um das Fußballgeschehen und sich nach einem nicht unerheblichen Foulspiel zunächst minutenlang am Boden gewälzt hat und dann tage- oder wochenlang krankschreiben hat lassen. Wie die Sache dann abgelaufen wäre bleibt nur zu vermuten…